Erinnerungsort
Der historische Ort des Oktoberfest-Attentats ist seit über vier Jahrzehnten Gegenstand erinnerungskultureller Setzungen und Diskurse:
Von der Einweihung des Denkmals des Künstlers Friedrich Koller im Jahr 1981, über die zahlreichen Um- und Überarbeitungen des Denkmals bis hin zur Errichtung der Dokumentation Oktoberfest-Attentat im Jahr 2020.
Die 1981 von Friedrich Koller errichtete Bronzestele trägt eine Inschrift zur Erinnerung an die Opfer des Attentats und geht in Form eines Kreuzes in den Boden über. Die Namen der Todesopfer wurden 1987 auf der Stele ergänzt.
Die 2008 durch den Künstler vorgenommene Erweiterung des Denkmals fasste die Stele räumlich ein. Eine im Halbkreis gebogene Stahlwand wird von zahlreichen Freistellen durchbrochen, wie von einer Explosion durchlöchert. In den Boden eingelassene Splitter repräsentieren die zwölf Todesopfer sowie - rückseitig des Denkmals platziert - den Attentäter selbst.
Die Überarbeitung ist zum einen eine räumliche Ausweitung des Denkmals, und damit auch der Versuch, der Erinnerung mehr Raum zu geben. Zum anderen wird dieser Raum geprägt von dem damaligen Gewaltakt; es zieht keinen Schlussstrich mit diesem Ereignis.
Die Stahlwand trägt das biblische Zitat „Suche den Frieden und jage ihm nach“ (Psalm 34,15b). Damit geht es um beides: Einen Raum zur Erinnerung im sakralen Sinn, und gleichzeitig einen andauernden Prozess der Auseinandersetzung.
Es ist deshalb folgerichtig, dass in direkter Nachbarschaft zum Denkmal die Dokumentation Oktoberfest-Attentat zur Beschäftigung mit den Ereignissen eröffnet wurde.
Anlässlich des 40. Jahrestages im September 2020 wurde die „Dokumentation Oktoberfest-Attentat“ der Öffentlichkeit übergeben. Die Ausstellung soll Besucher*innen ermöglichen, sich am Eingang der Theresienwiese über die Geschehnisse des 26. Septembers 1980 zu informieren und die Tragweite dieses Attentats auch aus Sicht der Überlebenden zu erfahren.
Sowohl bei der Entscheidung für den gestalterischen Entwurf wie auch der Realisierung waren Überlebende aktiv beteiligt.
Der vom Gestaltungsbüro Müller-Rieger entwickelte Entwurf widmet 234 vom Anschlag betroffenen Menschen lebensgroße Silhouetten. Die Silhouetten nehmen Bezug auf die Zahl der 12 Todesopfer, 221 Verletzen und den ebenfalls getöteten Attentäter. Die Silhouetten wurden aus Edelstahlflächen gestaltet, deren Ränder mit einer LED-Beleuchtung versehen sind. Die Grundfläche des Entwurfs orientiert sich an der unregelmäßigen Fläche eines Splitters, der dem Denkmal von Friedrich Koller entlehnt ist.
Auf den Figuren ist die Ausstellung aufgebracht, die sich in Themen gliedert. Mit Bildern, Texten, Zitaten und medialen Angeboten werden Informationen zum Attentat, zu Überlebenden, zu den Ermittlungen und dem gesellschaftlichen Umgang damit vermittelt.
Zentral für den Entwurf des Büros Müller-Rieger ist die Möglichkeit, die menschlichen Konsequenzen des Attentats begreifbar zu machen. Die symbolische Repräsentation der 234 Menschen ist dafür maßgeblich. Da sich die konkrete Darstellung aber nicht an den Todesopfern, Verletzten und dem Täter orientiert, verdeutlicht der Entwurf aber auch das Gefahrenpotential rechtsextremistischen Terrors, jeden Menschen zu jeder Zeit treffen zu können.